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Chausseebau

> Schäfer: Überlegungen zur Altstraßenforschung >>MOG 62/1977, 63 ff. >>>auch Chaussebau 18./19. Jh.

> Weber, Landstraßen und Chaussebau vom 16. bis 19. Jh.
IN: Schwind, Geschichtlicher Atlas von Hessen. Karte 29a und b;
> Textband 190-193

> wiki 20.9.2012
- Chaussee
Chaussee ist die heute veraltete Bezeichnung für eine gut ausgebaute Landstraße. Kunststraße war der deutsche Ausdruck für Chaussee.
Inhaltsverzeichnis
- Wortherkunft und -verwendung
Das Wort Chaussee?/i (f.) wurde mit der Bauweise im 18. Jahrhundert aus dem französisch chaussée entlehnt, welches seinerseits auf das galloromanische via calciata zurückgeht und Straße mit fest gestampften Steinen bedeutet. Zeitgenössische erste Übertragungen des Worts waren Straßendamm und Hochweg, zum grob gleichbedeutenden englisch highway. Adelung kritisierte um 1790: „Einige neuere Schriftsteller haben dafür Deutsche Benennungen vorgeschlagen“; [1] diese Ausdrücke „erschöpfen den Begriff auch nicht, und lassen sich auf jede andere Art künstlicher Wege anwenden“.[1] Kunststraße hat sich dann etabliert, primär ist aber das französische Wort als Lehnwort in das Deutsche eingegangen.
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Zum Begriff
Als Chausseen bzw. Kunststraßen bezeichnete man ausgebaute, mit fester Fahrbahndecke versehene Landstraßen, die ingenieurmäßig geplant waren und daher deutlich geradliniger verliefen. Von der Landstraße unterscheidet sie, dass neben der Fahrbahndecke im Besonderen auch der Fahrdamm, also der Straßenunterbau, konstruiert ist.[3] Adelung erklärte den Begriff als

„ ein durch Kunst gemachter erhöheter Weg von Kieß oder zerschlagenen Steinen, wodurch sich ein solcher Weg von einem Damme unterscheidet, welcher mit Steinen gepflastert wird.“[1]

Bautechnisches

Entwickelt wurde das Konzept der Chausseen in den Niederlanden des 18. Jahrhunderts, mit Backsteinbefestigung der künstlichen Dämme, dann in England – als "macadamisated causeways" (dt. Chausseen mit Makadam) des Wegebauinspektors John Loudon McAdam (*1756), mit Kiesbelag – und Frankreich weiterentwickelt, und von dort kam es durch die französische Besetzung Preussens unter Napoleon I (1807-1813) dann in den deutschsprachigen Raum.[3] Auf die Backsteinstraßen holländischen Typs wurde etwa im Ausbau der Militärgrenze Österreich-Ungarns im Banat zurückgegriffen, wo Gestein Mangelware war.[3] Durch die Anlage von Chausseen wurde in Norddeutschland die Zahl der Feldsteinfindlinge auf und entlang den Äckern deutlich reduziert.[2]

Neben dem Belag zeichnet sich die Chaussee auch durch ein wohlausgebautes Entwässerungssystem aus. Die durchlässige Tragschicht und die leichte Wölbung der Fahrbahndecke diente der Entwässerung, für die oft ein begleitender Entwässerungsgraben (Chausseegraben) angelegt wurde.[4][3]

Oft bestand die Chaussee aus Steinbahn und Sommerweg: Die Steinbahn war der befestigte Teil mit einer Tragschicht aus Kies oder gebrochenem Stein als Unterbau und einer Deckschicht aus Sand-Lehmgemisch. Der Sommerweg (für unbeschlagene Tiere) befand sich neben der Steinbahn und war unbefestigt oder nur leicht befestigt und im Winter nicht nutzbar.

Durch regelmäßige Baumbepflanzungen wurden die Vorteile einer Allee nutzbar gemacht: Schutz vor Sonne und Wind sowie bessere Orientierung. Zur weiteren Straßenausstattung gehörten etwa auch eine kontinuierliche Stationierung (Meilensteine).

Auch an die Trassierung (Streckenführung) stellt man zunehmend hohe Ansprüche. So wird „die möglichst geringe Entfernung zwischen zwei gegebenen Punkten“[3] ebenso gefordert wie „keine zu große Neigung gegen die wagerechte Ebene“ (drei bis fünf Prozent)[3], um den Bedarf an Vorspann oder die Anforderungen an die Bremsen (Hemmung) gering zu halten; sie soll Ausweichmöglichkeit bieten (24–30 Fuß Breite, also acht bis zehn Meter),[3] und auch hochwassersicher sein, also auf einen Fahrdamm erhöht sein, wo sie durch Niederungen führt.[3]

Mit dem Chaussee-Konzept des 18./19. Jahrhunderts schließt man in Europa erstmalig wieder an den technischen Stand des Fernverkehrsausbaus der Römerstraßen an.
Rolle der Chaussee im Straßennetz

Die ersten Straßen des Chausseetyps werden, vom Holland des Barock ausgehend, in Westeuropa im frühen 18. Jahrhundert gebaut, in Schwaben etwa wurde zwischen Öttingen und Nördlingen 1753 die erste Straße in der neuen Chaussee-Bauweise errichtet.[3]

Nach den Koalitionskriegen, in denen nicht zuletzt anhand der französischen Eilmärsche die – auch militärlogistische und strategische – Bedeutung gutausgebauter Straßen erkannt wurde (bis dahin beruhte Kriegsstrategie primär auf dem Garnisonskonzept, also der Stationierung, nicht mobilen Verlagerung der Truppen), aber auch dem sich entwickelnden Eilpostwesen rückte der Begriff immer mehr in die Nähe des Konzepts einer Fernstraße, deren Bedeutung über den Komfort im Individualverkehr hinausgeht, und von staatlichem Interesse wird. In Preußen etwa diente der Chausseebau insbesondere nach den Stein-Hardenbergschen Reformen (ab 1807) sicher auch militärischen Zwecken.[2] Dadurch hat man aber auch noch vor Beginn des Eisenbahnbaues eine Grundlage für den verbesserten Warenaustausch in der frühindustriellen Epoche geschaffen.
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>>>> QUANTIFIZIERUNG:

Für die 1832 eröffnete Altona-Kieler Chaussee beispielsweise ist der Vorteil quantifiziert: die Postkutsche benötigte auf der alten Landstraße 16 Stunden, auf der etwas längeren Chaussee nur neun Stunden. Ein reitender Bote bewältigte die Strecke in sechs Stunden. Wegen des stabileren Unterbaues und der glatteren Oberfläche konnte ein Pferdefuhrwerk die dreifache Last transportieren.[2]

Entlang der Chausseen wurden im Abstand von etwa ein bis eineinhalb Wegstunden, einer damaligen Meile, Chausseehäuser für die Chausseegeldeinnehmer errichtet, ein frühes Konzept der Straßenmaut. Im Posten des Chausseewärters mit seiner Zuständigkeit für einen Streckenabschnitt findet sich auch der Vorläufer der staatlich organisierten Straßenmeisterei, die über einen Wegewart hinausgehen. Die Chauseewärter unterstanden einem Chausseebaumeister als für diese Straße verantwortlichem Wegebauinspektor.[3]

Auch die verkehrstechnische Normung und Straßenverkehrsordnung erhält damit einen Aufschwung, Pierer führt um 1860 an:

„Chausseeordnungen, die gewöhnlich das Gewicht, das ein Fuhrmann laden darf, bestimmen, das Geleise, welches ein Wagen haben muss, u. die Breite der Radfelgen (die 6zölligen Radfelgen zahlen entweder gar kein, od. nur sehr wenig Ch-geld, weil sie der Ch. nützen; in anderen Ländern sind schmale Radfelgen für Frachtfuhren untersagt) festsetzen, das Einhemmen an Orten, wo es nicht durchaus nöthig ist, verbieten, das Geleisehalten untersagen, das Ausweichen (meist rechts, nur in Österreich links) bestimmen, Strafen auf das Befahren der Fußstege etc. setzen.“[3]
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